Maria Carmela Marinelli | Leipzig

Ich war Studentin am Institut für Theaterpädagogik an der Universität der Künste Berlin und saß im Erzählseminar von Frau Prof. Wardetzky, als ich zum ersten Mal eine frei erzählte Geschichte zuhörte. Ich verliebte mich sofort in die Kunst und gleich brannte ich vor Lust, selbst erzählen zu können.

Wenn ich heute an meine Kindheit zurückdenke, suche ich Bilder, die mich zu dem verbinden, was ich heute bin. Ich sehe aber keine Bücherregale zu Hause. Auch keine Großmutter, die mir Märchen erzählt. Aber irgendwie wurde es immer erzählt. Laut, übertrieben und mit großen Gesten. Über diese und über jenes. Vor allem im Sommer. Und gerade an einen Sommerabend geht eine Kindheitserinnerung zurück, an der ich mich heute gerne festklammern, wenn ich Haltung suche:

Es ist ein Sommerabend. Die Nachbarschaft sitzt im Stuhlkreis in unserer kleinen Sackgasse. Sie erzählt. Sie ratscht und tratscht. Laut, übertrieben, mit großen Gesten. Sie lacht. Ich gehe um die Ecke zu unserer Nachbarin Margherita. Dort ist es leise. Sie lächelt mich immer an. „Komm her“ sagt sie. Sie sitzt vor ihrer Haustür, in ihrem kleinen Garten mit Wildrosen, die man nicht pflücken kann, weil sie viele viele Dornen haben und manchmal auch kleine Käfer in den Blättern krabbeln. Ich setze mich auf eine Stufe hin, ich kann ihre Füße sehen. „Carmela, erzähle nochmal Rotkäppchen. Du machst es so lustig“, sagt sie mir und schaut mich liebevoll an. Ich erzähle. Immer wieder. Ich kenne das Märchen nicht so gut. Ich erfinde es. Sie hört mich zu und ich bin glücklich.

Foto: Tina Peißker

Das ist schon viele Jahre her und ich brenne noch immer dafür, Leute zu berühren, zum Lachen und zum Weinen zu bringen, in Staunen zu versetzen und vor Erleichterung tief seufzen zu lassen.

Als Theaterpädagogin M.A. an der Universität der Künste ausgebildet und anschließend als Erzählerin beim Zertifikatskurs „Künstelerisches Erzählen – Storytelling in Art and Education“ am Berlin Career College – UdK weitergebildet, widme ich mich seitdem mit Fleisch und Blut dieser faszinierenden Kunstform.

Mit Sprache, Stimme und Gesang erzähle ich von Märchen, Mythen, Mamma und Meer, auf Italienisch, Deutsch, Spanisch, Englisch und im Dialekt meiner Stadt; und wenn die Wörter nicht mehr ausreichen, mit Händen, Füßen und einem großen Herzen. Ich biete unterschiedliche Programme für alle Altersstufen an und bilde Erzieher:innen, Lehrer:innen und allen Interessierten in der Kunst des Erzählens weiter. Seit 2016 bin ich Gründungsmitglied von ERZÄHLRAUM e.V, der das künstlerische Erzählen in Sachsen fördert.